Erzwingungshaft gegen Obdachlose

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18. Januar 2022

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bittet die Verwaltung unter dem o.g. TOP um die Beantwortung der folgenden Fragen:

1.    Inwieweit ist die Sozialverwaltung eingebunden in Bußgeld-Maßnahmen des Ordnungsamtes gegen obdachlose Menschen?

2.    Welche Arbeitsorganisation zwischen Sozial- und Ordnungsverwaltung gibt es hinsichtlich des Umgangs mit obdachlosen und/oder bettelnden Menschen?

3.    Wie bewertet die Sozialverwaltung grundsätzlich die Verhängung von Bußgeldern gegen mittellose obdachlose Menschen?

4.    Wie werden obdachlose Menschen über aktuelle Verordnungen (Coronaschutzverordnung, aggressives Betteln etc.) und mögliche Bußgelder informiert und unterrichtet?

5.    Welche Kooperationen gibt es an dieser Stelle mit den Organisationen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe?

6.    Welche Kenntnisse hat die Verwaltung über aktuell noch laufende Bußgeldverfahren gegen obdachlose Menschen? (Anzahl der Verfahren, Höhe der Bußgelder)?

7.    Gibt es aktuell weitere Verfahren der Stadt gegen obdachlose Menschen hinsichtlich Erzwingungshaft bzw. Ersatzfreiheitsstrafe? Wenn ja, wie viele?

Begründung:
Im Dezember hat das Amtsgericht Dortmund eine von der Stadt angeordnete Erzwingungshaft gegen einen obdachlosen, drogenabhängigen und im Rollstuhl sitzenden Obdachlosen abgelehnt. Der Mann sollte 7.325 EUR Bußgelder wegen diverser Geldbußen aufgrund von Betteln und Verstoß gegen die Coronaschutzverordnung zahlen. Das Gericht hatte ausgeführt, dass der Mann nicht ansatzweise in der Lage sei, derartige Geldbußen zu zahlen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es Sinn und Zweck der Erzwingungshaft ist, Zahlungsunwillige zur Zahlung der Geldbuße zu zwingen. Demzufolge setzt deren Anordnung voraus, dass es den Betroffenen nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen zumutbar sein muss, die Geldbuße zu zahlen.

Schon 2020 im und nach dem ersten Corona-Lockdown hatte die Stadt für Verstöße gegen das damals geltende Ansammlungsverbot für mehr als zwei Personen Ordnungsstrafen in zum Teil vierstelliger Höhe verhängt. Damals hatte die Stadt die Option eingeräumt, dass Betroffene auf Antrag die Geldbußen auf 20 Euro reduzieren konnten. An der grundsätzlichen Sanktionspraxis wurde aber festgehalten.

Statt der Verhängung von nicht eintreibbaren Ordnungsgeldern gegen mittellose obdachlose Menschen muss es darum gehen, durch geeignete Informations- und sozialpolitische Maßnahmen Sanktionierungen zu verhindern. Wenn Bußgelder sich nicht verhindern lassen, sollten die Beträge in einer realistischen Höhe angesetzt sein, die obdachlosen Menschen eine Bezahlung ermöglicht.

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