Fraktionssprecherin Ingrid Reuter BÜNDNIS 90/Die Grünen
Zur Ratssitzung am 16.12.2021
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
wir leben in schwierigen und außergewöhnlichen Zeiten. Die Corona-Pandemie und ihre Bekämpfung fordern uns alle Kräfte ab. Umso wichtiger ist es, die guten Nachrichten klar und deutlich zu benennen.
Der heutige Beschluss zum städtischen Haushalt 2022 ist eine solche gute Nachricht. Denn mit diesem Haushalt gehen wir einen klaren Weg hin zu mehr Klimaschutz und zu mehr sozialer Teilhabe.
Deshalb ist heute trotz Corona ein guter Tag für Dortmund.
Es ist zwei Jahre her, dass wir zum letzten Mal über einen städtischen Haushalt beraten haben. Aber vielen von uns kommt es wahrscheinlich so vor, als läge das Ewigkeiten zurück. Denn im Dezember 2019 ahnte wohl niemand von uns, dass wir es schon wenige Wochen später mit einer tödlichen Pandemie zu tun haben würden – einer Pandemie, an deren Folgen seitdem bundesweit mehr als 100.000 Menschen gestorben sind.
Wir trauern mit deren Angehörigen und Freunden, sorgen uns um Schwerkranke und stehen solidarisch und voller Dank an der Seite derjenigen, die Tag für Tag bis weit über die Belastungsgrenze hinaus versuchen, Leben zu retten.
Und es ist ein Skandal, wenn gerade die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht verbessert werden. Hierzu brauchen wir endlich einen gesellschaftlichen Konsens für die notwendigen Veränderungen.
Meine Damen und Herren,
wenn wir über Veränderungen sprechen, dann dürfen wir über den Klimawandel selbstverständlich nicht schweigen. Es wird immer dringlicher, entschieden zu handeln. Das haben nicht zuletzt Starkregen und Überschwemmungen des Sommers gezeigt.
Stärker noch als die Pandemie ist der Klimawandel das zentrale Überlebensthema der Menschheit. Und es muss mindestens genauso entschieden bekämpft werden wie die Corona-Pandemie.
Wer dabei global denkt, muss dennoch lokal handeln. Deshalb haben wir beschlossen, dass die Klimaneutralität in unserer Stadt nicht erst – wie bisher vorgesehen – im Jahr 2045, sondern bereits 2035 erreicht werden soll und erreicht werden muss. Mit dem Haushalt 2022 gehen wir weitere entscheidende Schritte auf diesem Weg. Dazu später mehr.
Kommen wir zu den Veränderungen hier bei uns in Dortmund, die auch mit Klimawandel zu tun haben – mit politischem Klimawandel.
Wir beschließen den Haushalt mit einem neuen Oberbürgermeister an der Spitze der Verwaltung, der diesen Haushalt zusammen mit dem Stadtkämmerer und der Kämmerei vorgelegt hat. Ein Mammutwerk und eine Mammutarbeit.
Dafür an dieser Stelle ein großer Dank an alle Beteiligten.
Wir beschließen den Haushalt erstmals mit einem im letzten Jahr neugewählten Rat und mit neuen politischen Verhältnissen, bei denen sich Mehrheiten nicht einfach ergeben, sondern anders gefunden werden müssen als bisher.
Die Beratungen zum Haushalt haben gezeigt, dass nicht mehr eine einzige Fraktion die Beratungen und Beschlüsse mit ihrer Stärke dominiert. Nichts konnte in den diesjährigen Beratungen von wem auch immer einfach als Selbstverständlichkeit abgehakt werden. Im Gegenteil!
In diesem Jahr musste besonders intensiv diskutiert, beraten, verhandelt und um Mehrheiten gerungen werden. So haben es sich die Dortmunderinnen und Dortmunder im letzten Jahr zusammengewählt.
Das ist auch gut so. Und spannender und aufregender ist es allemal.
Wir beschließen den Haushalt unter einer Prämisse, die eigentlich selbstverständlich ist: Es gilt das Primat der Politik. So hat es der Rat im letzten Jahr aus guten Gründen mit Mehrheit auch noch einmal festgehalten.
Die vom Oberbürgermeister gewählte Vorgehensweise bei der Entwicklung neuer Stadtziele entsprach diesem Primat nicht.
Um es ganz klar zu sagen: Es ist gut und richtig, wenn die Verwaltung mit ihren Möglichkeiten Ziele für die Entwicklung der Stadt entwirft und erarbeitet. Ja, das erwarten wir sogar.
Es ist aber nicht gut, wenn diese Ziele dann finanziell und personell umgesetzt und bereits im Haushalt verankert werden, bevor Politik darüber beraten und abgestimmt hat.
Deshalb ist es richtig, dass wir im Rahmen der HH-Beratungen festgelegt haben, dass die Diskussion über die Stadtziele in den Ausschüssen geführt werden muss und dass diese Ziele anschließend im Rat – eventuell mit Veränderungen – beschlossen werden.
So geht Primat der Politik, und so wollen wir es auch verstanden wissen.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
wir GRÜNE haben in der Projektpartnerschaft mit der CDU-Fraktion einen Antrag mit insgesamt 70 Punkten vorgelegt. Und wir haben diesen Antrag so verstanden, wie wir auch die Projektpartnerschaft von Beginn an verstanden haben: als Angebot an fast alle anderen Fraktionen, ins Gespräch und in die Diskussion zu kommen, um gemeinsam das Beste für die Zukunft unserer Stadt zu gestalten. Das Abstimmungsergebnis im Finanzausschuss zeigt, dass dieses Angebot auch angenommen worden ist. Das ist ein gutes Zeichen, auch für die weitere Zusammenarbeit.
Wir beschließen den Haushalt heute vor dem Hintergrund einer durchaus trügerischen finanziellen Situation. Was auf den ersten Blick gut aussieht, zeigt auf den zweiten Blick deutlich die dramatischen Folgen der Pandemie. Denn in der mittelfristigen Finanzplanung haben wir eine Belastung von 424 Millionen Euro, die durch die unterschiedlichen Maßnahmen, Hilfs- und Unterstützungsprogramme aufgelaufen sind und die wir nach und nach abzahlen müssen.
Ohne weitere finanzielle Unterstützung durch Bund und Land ist das nicht möglich.
Die neue Bundesregierung aus SPD, GRÜNEN und FDP hat in ihrem Koalitionsvertrag Feststellungen zur Unterstützung der Kommunen gemacht. Das betrifft zum Beispiel eine Altschuldenlösung, für die es eine einmalige Kraftanstrengung von Bund und Länder geben soll. Und es betrifft die Entbürokratisierung kommunaler Förderprogramme sowie die Reduzierung des Eigenanteils von strukturschwachen Kommunen.
Das ist alles gut, reicht aber nicht, um die Eigenständigkeit und die finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten für Dortmund zu erhalten. Nötig sind darüber hinaus zum Beispiel:
die weitere Erhöhung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft,
die weitere Beteiligung an den Hilfen zur Erziehung und auch
die vollständige Weiterleitung der vom Bund an das Land gezahlten Pauschale für flüchtlingsbezogene Zwecke
Wir haben im Haushalt 2022 unsere Gestaltungsmöglichkeiten genutzt, ohne unsere Selbstbestimmung zu verlieren, das war unser Ziel. Und mit dem Ergebnis der Beratungen im Finanzausschuss haben wir das auch geschafft.
Meine Damen und Herren,
ich habe ja bereits erwähnt, dass für uns GRÜNE dabei die Klimapolitik ganz oben auf der Agenda steht.
Uns allen muss klar sein: Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren!
Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat ohne Veränderung der bisherigen Politik, ohne zusätzliche Klimaschutz-Maßnahmen entfernt uns weiter von der Möglichkeit, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.
Es ist gut, dass die neue Bundesregierung diese Zielsetzung in den Mittelpunkt ihrer Politik stellt. Aber wir sind auf kommunaler Ebene genauso gefordert, mit allen unseren Möglichkeiten unseren Beitrag zu leisten – unsere Bereitschaft haben wir mit dem Grundsatzbeschluss zur Klimaneutralität 2035 deutlich gemacht.
Ja, das ist ambitioniert. Aber das ist der Aufbruch, den wir brauchen, um die Klimakrise ernsthaft anzugehen und auch wirklich zu meistern. Dafür muss das bisherige Handlungsprogramm noch weiter geschärft werden.
Dafür stellen wir die entsprechenden Gelder im Haushalt ebenso zur Verfügung wie für viele weitere Maßnahmen:
Mit einer eigenen kommunale Klimaschutzagentur wollen wir künftig dafür sorgen, dass der Klimaschutz eine zentrale Rolle in der Stadt einnimmt. Hier sollen Privatpersonen, Gewerbe und Handwerk umfassend zum Klimaschutz beraten werden, hier soll die Nutzung alternativer Energien beworben und deutlich nach vorne gebracht werden.
Doch alle Maßnahmen sind immer nur so gut wie ihre Wirkung. Deshalb brauchen wir im Klimaschutz ein gutes Controlling, damit wir notfalls schnell korrigieren und gegensteuern können.
Beim Radverkehr geht es nicht nur ums Planen, wir müssen die guten Ideen vor allem umsetzen. In der Verwaltung wird es deshalb künftig eine Task-Force Radverkehr geben, die sich nur mit der Verbesserung des Radverkehrs beschäftigt und mit nichts anderem.
Beim ÖPNV wollen wir durch den Ausbau von Regionalbuslinien und eine Ringbuslinie im wahrsten Sinne zügig vorankommen.
Und nicht zuletzt wollen wir als Projektpartnerschaft für die Entsiegelung von Flächen und andere Maßnahmen im Rahmen eines Schwammstadt-Konzepts zwei Millionen Euro zur Verfügung stellen.
Wir GRÜNE wissen sehr genau: Klimaschutz und soziale Sicherheit sind keine Gegensätze. Sie lassen sich nur miteinander verwirklichen. Und deshalb finden sich im Antrag der Projektpartnerschaft auch viele Maßnahmen, mit denen wir soziale Initiativen unterstützen.
Lassen Sie mich ein paar wichtige Beispiele nennen:
Wir entlasten einkommensschwächere Familien und Alleinerziehende mit der Ausweitung der Beitragsfreiheit für Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflege und OGS. Damit brauchen ca. 1.100 Familien mehr als bisher keine Beiträge mehr zu bezahlen. Wir wollen aber an dieser Stelle auch klar festhalten, dass wir das Land hier in der Verpflichtung sehen: Wir werden darauf drängen, dass eine zukünftige, hoffentlich andere Landesregierung in Richtung Beitragsfreiheit aktiv wird.
Um die Ganztagsbetreuung von Schüler*innen auszuweiten und den Rechtsanspruch darauf ab dem Jahr 2026 rechtzeitig sicherzustellen, werden wir den Ausbau auf 1.000 Plätze jährlich erhöhen.
Wir wollen die Kulturarbeit an den Schulen und Kitas stärken, damit Kinder und Jugendliche ihr kreatives Potenzial entwickeln können, und regen die Einrichtung einer Kulturschule an.
Außerdem gibt es auf GRÜNE Initiative erstmals ein kommunales Handlungsprogramm zum Spracherwerb für Zugewanderte und Geduldete, die keinen Anspruch auf Integrationskurse haben. Das ist ein wichtiger Schritt für ihre Integration, insbesondere von Frauen.
Wichtig ist für uns auch, dass erstmals der Tierschutz in den Beratungen und Beschlüssen eine größere Rolle spielt.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein kurzes Wort zu einigen Anträgen der anderen Fraktionen sagen.
Dem Antrag der SPD konnten wir in vielen Punkten zustimmen. Schwierigkeiten hatten wir allerdings in der Diskussion um die Honorarkräfte der Musikschule. Nicht, weil wir das Problem nicht erkennen. Sondern – und das ist uns besonders wichtig – weil wir die Debatte über die Situation aller Honorarkräfte der Stadt führen wollen und führen müssen. Diese Diskussion um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen aller Honorarkräfte werden wir nun – auch auf Vorschlag der Verwaltung – in den Ausschüssen fortsetzen.
Liebe Fraktion LINKE+, ja, ein eigenständiges Dezernat Klimaschutz – so, wie in Ihrem Antrag gefordert – könnte Sinn machen. Aber nur dann, wenn es mit den richtigen Inhalten und nötigen Kompetenzen ausgestattet ist. Und die liegen im Bereich des Kilmaschutzes natürlich bei der Planung und Stadtentwicklung. Die Diskussion um ein Klimaschutz-Dezernat kann deshalb nur im Zusammenhang mit der weiteren Zukunft des Dezernates 6 geführt werden.
Die Fraktion FPD/Bürgerliste hat vor allem zahlreiche Anträge zur Abschaffung kommunaler Steuern gestellt. Das Aussetzen der Sonderbeiträge für die Außengas-tronomie finden wir sinnvoll und nachvollziehbar, nicht jedoch pauschale Kürzungen bei Personal und Steuern. Mit solchen Streichungen würden wir uns im Haushalt die Möglichkeiten gerade auch für soziale Veränderungen nehmen. Deshalb haben wir sie abgelehnt.
Liebe Fraktion DIE PARTEI, ein satirischer Antrag ist noch nicht zwangsläufig ein politisch guter Antrag. Er ist eher ein Pop-up-Antrag, der nur kurz Wirkung hat. Trotzdem finden sich im Antrag an der ein oder anderen Stelle wichtige Hinweise, die ja nun weiterverfolgt werden sollen.
Der Antrag der AfD ist wie immer eine Verachtung aller Maßnahmen, die eine demokratische und vielfältige Stadt und Gesellschaft zum Ziel haben. Damit bleiben Sie sich und ihrer rechtspopulistischen bis rechtsradikalen Klientel treu.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen,
wir gehen in ein Jahr 2022, das wahrscheinlich nicht leichter werden wird als das nun ablaufende.
Wir GRÜNE aber sehen die Stadt mit diesem Haushalt gut dafür gerüstet.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.