– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Sehr geehrte Kolleg*innen der demokratischen Fraktionen,
wie sagt man so schön: Das Beste kommt zum Schluss.
Deshalb ist es vielleicht auch kein Zufall, dass die letzten beiden Haushaltsreden der Fraktionen in dieser Wahlperiode von der Projektpartnerschaft von GRÜNEN und CDU kommen. Eine Projektpartnerschaft, die diese Wahlperiode und die Entscheidungen hier im Rat in den vergangenen vier Jahren maßgeblich geprägt und ja, die Stadt auch an einigen Stellen verändert hat.
Dabei gab es gerade zu Beginn viele Stimmen, die gesagt haben:
„Wie soll das denn klappen? Ihr seid doch inhaltlich bei so vielen Themen so weit auseinander – in der Klimapolitik, in der Verkehrspolitik, in der Sozialpolitik, in der Ordnungspolitik. Eigentlich: überall. Dass diese Projektpartnerschaft aus GRÜNEN und CDU lange hält, ist genauso unwahrscheinlich wie die Vorstellung, dass Bayer Leverkusen irgendwann mal Deutscher Meister wird.“
Mit Wahrscheinlichkeiten und Beteiligungen der Bayer AG kenne ich mich ganz gut aus und wir sehen in beiden Fällen: Vermeintlich Unwahrscheinliches passiert manchmal eben doch.
Richtig ist: Ja, es gibt nach wie vor viele unterschiedliche Einschätzungen, Positionen und Haltungen von GRÜNEN und CDU. Richtig ist aber auch, dass wir uns bei vielen wesentlichen Entscheidungen als Projektpartnerschaft zusammen auf den Weg gemacht haben. Das zeigen insbesondere unsere Haushaltsanträge.
Der diesjährige Antrag zum Haushalt ist inzwischen nicht nur der vierte Haushaltsantrag, den wir im Rahmen der Projektpartnerschaft gemeinsam eingebracht haben. Er ist auch der vierte Antrag, der in Gänze mit allen Unterpunkten eine Mehrheit gefunden hat. Und das, ohne dass die Projektpartnerschaft eine eigene Mehrheit hat.
Das, liebe Kolleg*innen, ist in den letzten Jahren nicht nur beim Haushalt, sondern bei verschiedenen inhaltlichen Punkten immer wieder gelungen – immer wieder auch mit unterschiedlichen Partnerinnen. Mal mit der SPD, mal mit der FDP und manchmal – und das sogar ziemlich häufig – auch mit den LINKEN.
GRÜNE, CDU und LINKE – eine Konstellation, bei der zu Beginn der Wahlperiode vor vier Jahren wahrscheinlich nicht nur Friedrich Merz Schnappatmung bekommen hätte, wenn er davon gewusst hätte. Das, was lange Zeit in dieser Stadt und in diesem Rat unmöglich schien, haben wir als Projektpartnerschaft gezeigt: Dass Mehrheiten ohne und manchmal auch gegen die SPD in dieser Stadt möglich sind.
Das hat nicht immer allen gefallen, vor allem denen nicht, die anderes gewohnt waren. Klar ist aber, dass es den Diskussionen und inhaltlichen Auseinandersetzungen gutgetan hat. Denn es braucht Kompromissfähigkeit dafür, flexible Mehrheiten zu bekommen.
Unterm Strich gab es dabei oft keine Projektpartnerschaft pur, kein SPD pur, kein GRÜN pur, kein CDU oder ein anderes pur. Alle mussten dafür kämpfen und manchmal auch etwas dafür geben, um gute Lösungen im Sinne der Stadt zu finden. Das ist manchmal schwierig und dauert auch manchmal etwas länger – aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht Demokratie.
Dabei gab es dann aber auch teilweise sehr breite Mehrheiten zum Wohle der Stadt. Lassen Sie mich als ein Beispiel den Umgang mit STEAG nennen, wo der Rat erst dem Verkauf und weiteren Krediten zugestimmt hat und dann anschließend die völlig unerwarteten Gewinne politisch mit ebenso breiter Mehrheit inhaltlich sinnvoll für Maßnahmen der Verkehrswende eingesetzt hat.
Ich habe vorhin gesagt, dass die neuen Abläufe und Ansprüche durch die Projektpartnerschaft in den letzten Jahren nicht immer allen gefallen haben, vor allem denjenigen nicht, die anderes gewohnt waren.
Das haben wir auch beim Oberbürgermeister gesehen. Der musste erst davon überzeugt werden, dass es ein Primat der Politik und eben nicht der Verwaltung gibt. Und dass es keine gute Idee war, das Amt für Stadterneuerung an der Politik vorbei zerschlagen zu wollen. Und auch bei anderen Punkten zum Beispiel bei Housing First musste die Verwaltung erst davon überzeugt werden, dass ein politischer Beschluss letztendlich auch umgesetzt werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, wir alle haben in den vergangenen vier Jahren Verantwortung für Dortmund übernommen. In einer Zeit, die von unterschiedlichen Entwicklungen massiv beeinflusst war.
Zu Beginn der Wahlperiode Ende 2020 befanden wir uns gerade in der zweiten Coronawelle und wussten noch nicht, dass uns Corona noch so lange weitere Zeit dramatisch beschäftigen würde – mit allen bekannten Folgen.
Wir wussten auch noch nicht davon, dass nur 14 Monate später mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ein Krieg in Europa ausbrechen würde, der bis heute andauert und auch unser Leben verändert hat. Und der – und das sage ich an dieser Stelle aus vollem Herzen – hoffentlich bald mit einem fairen Frieden beendet wird. Für einen fairen Frieden braucht es aber eine starke Ukraine und deswegen bekräftigen wir auch an dieser Stelle unsere volle Solidarität mit der Ukraine.
Liebe Kolleg*innen, bei allen Dingen, die uns als demokratische Fraktionen trennen, gibt es doch eine Haltung, die uns über die gesamte Zeit dieser Wahlperiode geeint hat. Das ist der klare Kurs gegen Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus in diesem Rat.
In einem Lied der Band TOCOTRONIC heißt es:
„Diese Menschen sind gefährlich, denn sie wissen, was sie tun.“
Genau das zeigt erneut der Haushaltsantrag der AfD, der wieder nur aus Scheinlösungen und populistischen Äußerungen besteht. Keine politische Arbeit nirgends, kein Antrag in Ausschüssen und bei vielen Terminen maximal die Hälfte der Zeit da – das ist die AfD-Fraktion.
Diese Menschen sind gefährlich, denn es geht ihnen im Kern nicht um die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in unserer Stadt oder in unserem Land. Es geht ihnen im Kern um die Zerstörung der parlamentarischen Demokratie, um die Zerstörung unserer freiheitlichen Art zu leben, um die Zerstörung von Vielfalt und Meinungsfreiheit. Und damit am Ende um die Zerstörung eines Dortmunds, in dem es nicht darauf ankommt, woher man kommt oder wie man heißt.
Es ist gut, dass wir im Rat über alle demokratischen Fraktionen hinweg eine Brandmauer haben, die dem standhält.
Liebe Kolleg*innen, wie immer auch die Bundestagswahl im Februar und – für uns hier im Rat noch entscheidender – die Kommunalwahl im September ausgehen wird:
Diese Einigkeit und diesen klaren Kurs gegen rechts dürfen wir nicht aufgeben, sondern müssen weiter demokratisch dagegenhalten.
Liebe Kolleg*innen, wir verabschieden heute diesen Doppelhaushalt 2025/26 in finanziell schwierigen Zeiten. Dass das überhaupt möglich ist, verdanken wir insbesondere auch den Mitarbeitenden der Kämmerei und der Verwaltung, die kompetent und sachgemäß wie schon in all den Jahren zuvor einen Beratungsentwurf auf den Tisch gelegt haben, mit dem wir auch in den kommenden Jahren kommunal handlungsfähig bleiben und nicht in die Haushaltssicherung geraten. Dafür unser aufrichtiger und herzlicher Dank.
Und insbesondere gilt dieser Dank auch dem Kämmerer. Dass wir heute einen sogar nur anzeigepflichtigen Haushalt verabschieden, ist auch Ihr Lohn. Ihr Nachfolger oder Ihre Nachfolgerin, Herr Stüdemann, wird in große Fußstapfen treten.
Die Herausforderungen, von denen ich vorhin gesprochen habe, haben mit dazu geführt, dass die öffentlichen Kassen vieler Städte und Gemeinden so gut wie leer sind. Es braucht nicht nur mehr Einnahmen für die Kommunen, es braucht auch eine Reform der unsäglichen Schuldenbremse, um Luft für dringend notwendige öffentliche Investitionen zu haben – für Kitas, für Schulen, für Investitionen in Klimaschutz und Verkehrswende.
Liebe Kolleg*innen, leider gibt es auch die sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene angekündigte Altschuldenregelung nicht. Mal schiebt der Bund dem Land die Schuld in die Schuhe, mal das Land dem Bund. Fakt ist, dass sich das Land dazu durchgerungen hat, über 30 Jahre hinweg jährlich 250 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Das ist nicht die Lösung, die wir uns erwünscht haben, aber ein erster Anfang.
Wer immer die neue Bundesregierung stellt, wir fordern sie jetzt schon auf, die endlose Diskussion um eine Altschuldenregelung nicht so lange fortzuführen, bis die kommunale Handlungsfähigkeit, insbesondere unserer Städte im Ruhrgebiet, für alle endgültig ruiniert ist.
Liebe Kolleg*innen, eine große öffentliche Rolle hat in den letzten Wochen und Monaten die schwierige finanzielle Situation vieler soziale Projekte und Maßnahmen gespielt.
Die Wohlfahrtsverbände, die Träger der Jugendhilfe und viele andere Organisationen haben davor gewarnt, dass fehlende Mittel in öffentlichen Haushalten in letzter Konsequenz vor allen Dingen den Menschen fehlen werden, die auf Unterstützung, auf Beratung, auf das Schaffen von Perspektiven für ihr persönliches Leben angewiesen sind. Das sind nicht diejenigen, die sich durch ihre Möglichkeiten oft selber helfen können. Es sind diejenigen, denen man mit gezielten Maßnahmen Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen muss. Wenn das aber wegfällt, dann verlieren wir auf Dauer einen größeren Teil der Bevölkerung.
Und nicht nur das: Wir laufen Gefahr, dass dieser Teil der Bevölkerung dann denjenigen in die Hände fällt, die mit ihren populistischen, vermeintlich einfachen Lösungen vorgeben, an ihrer Seite zu stehen, aber im Kern das Gegenteil tun.
Für uns als GRÜNE Fraktion war deshalb klar, dass wir mit den wenigen vorhandenen Mitteln insbesondere die Projekte und Maßnahmen stärken müssen, die unseren sozialen Ansprüchen gerecht werden.
Deshalb ist ein zentraler Punkt unseres Antrags die Stärkung der Wohlfahrtsverbände im Rahmen der Zuwendungsverträge. Es ist uns gelungen, dafür sowohl für 2025 als aber auch in den Jahren danach jeweils eine halbe Million Euro jährlich zusätzlich in den Haushalt zu stellen und damit den Spielraum zur Förderung von notwendigen Maßnahmen und Projekten zu erweitern. Das wird nicht alles kompensieren können, was es an Kürzungen von anderen Ebenen gibt, aber es trägt dazu bei, dass eben nicht so viel wegfallen muss, wie es ansonsten notwendig wäre.
Zusätzlich ist es gut, dass in diesem Zusammenhang auch die schwarz-GRÜNE Landesregierung ihre ursprünglichen Kürzungsmaßnahmen im sozialen Bereich massiv zurückgenommen hat. Das betrifft beispielsweise aber ganz konkret die Kürzungen bei den Frauenhäusern, der Suchtberatung oder der Schuldner*innenberatungen in den Verbraucherzentralen. Das sichert die Arbeit vor Ort und entlastet uns auch hier in Dortmund.
Uns war es zusätzlich wichtig, mit unserem Antrag auch die Projekte weiter zu sichern, die die unterstützen, die unsere Hilfe am meisten benötigen: Kinder aus einkommensschwachen Familien, aus Zuwanderungsfamilien, aus Familien, die keine oder kaum Möglichkeiten haben, ihre Kinder gezielt und besser zu fördern. Das betrifft zum Beispiel das Projekt „Lernen neu denken“, das wir für die kommenden zwei Jahre auf hohem Niveau abgesichert haben. Das betrifft aber auch die Fortführung der ansonsten wegfallenden Stellen der Schulsozialarbeit in Schulen mit hohem Sozialindex.
Lassen Sie mich hier an dieser Stelle noch einen weiteren Punkt nennen, den wir gemeinsam mit der CDU bereits in den letzten Haushaltsanträgen verankert haben und den wir auch diesmal aufgenommen haben, weil er unseren beiden Fraktionen sehr am Herzen liegt: die Investitionen in das Klinikum mit vielen Millionen Euro. Wir machen das, weil wir wissen, dass es dort großen Sanierungsbedarf gibt. Wir machen das dieses Jahr erneut, weil wir deutlich machen wollen, dass wir fest zu einem kommunalen Haus der Maximalversorgung stehen und auch bereit sind, es weiter zu fördern.
Nach wie vor gilt: schlechter als einen Euro in Infrastruktur zu stecken, ist es, keinen Euro in Infrastruktur zu stecken. Da wo der Staat als funktionierend wahrgenommen wird, ist er auch resilient gegen rechte Hetze und Rechtspopulismus. Das betrifft sowohl Investitionen als auch soziale Infrastruktur. Das betrifft sowohl gut ausgestattete Schulen, aber eben auch die Schulsozialarbeit. Das betrifft gute Bahnstrecken, aber auch die Erreichbarkeit der Bürgerdienste. Beides ist wichtig und darf nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Bei alledem ist politisch in den letzten Monaten ein Problem in den Hintergrund geraten, das aber perspektivisch unser größtes Problem sein wird und es auch schon ist: Der Klimawandel. Als Projektpartnerschaft haben wir in den vergangenen Jahren auch hier entscheidende Dinge anstoßen können.
Der sicher größte Erfolg ist die Verständigung darauf, dass Dortmund schon 2035 klimaneutral werden soll. Das sind 10 Jahre weniger als ursprünglich geplant.
Dafür haben wir auf höchste Energieeffizienz bei Neubauten, mehr Geld für energetische Sanierung, unterstützende Beratung für Privatleute und Gewerbe gesetzt, einen Klimabeirat installiert, ein Controlling-System eingeführt, eine Klimaschutzagentur beschlossen, ein Sofortprogramm aufgelegt sowie Standards zum klimagerechten Bauen eingefordert.
Das betrifft auch die Verkehrswende, bei der wir auch Dank der Stärkungsmittel und STEAG-Millionen ein Stück vorangekommen sind. All das klingt schon sehr viel, wird aber nicht reichen.
All denjenigen, die denken, man kann irgendwie so weitermachen wie bisher und beim Klimaschutz Geld einsparen sei gesagt, dass die Folgekosten immens sein werden. Das betrifft nicht nur die Frage des Klimawandels, das betrifft auch die soziale Frage. Wer nicht rechtzeitig investiert, wer nicht rechtzeitig reagiert – und da zitiere ich jetzt mal einen russischen Politiker aus anderen, ja doch besseren Zeiten – den bestraft das Leben. Dass er Recht behalten hat, sieht man auch daran, dass ich heute vor ihnen stehe.
Liebe Kolleg*innen, ich habe zu Beginn gesagt: Das Beste kommt zum Schluss.
Aber nach jedem Schluss kommt ja bekannterweise auch ein neuer Anfang. Und um Hermann Hesse zu zitieren: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Deswegen freuen wir GRÜNE uns auf die Auseinandersetzungen im kommenden Jahr im Rahmen des Wahlkampfs zur Kommunalwahl und auf einen dann neuen Anfang hier im Rat.
Vielen Dank.