Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bittet um Beratung und Beschlussfassung des folgenden Antrags im Ausschuss für öffentliche Ordnung:
Beschlussvorlage
Die Verwaltung prüft die Einführung digitaler Parkraumkontrollen mittels Scan-Fahrzeugen in Dortmund im Rahmen eines Pilotprojekts. Hierbei sollen zwei Formen berücksichtigt werden:
- die digitale Parkraumkontrolle in einem Gebiet der City mit Parkraumbewirtschaftung sowie
- die digitale Parkraumkontrolle in einem Wohnquartier mit Anwohner*innen-Parken.
Vor dem Hintergrund des Pilotprojekts sollen die digital kontrollierten Quartiere als solche sichtbar ausgewiesen werden.
Die Verwaltung legt zur Umsetzung des Beschlusses dem Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden bis zum 29.03.22 ein entsprechendes Konzept vor. Das Konzept wird dem Ausschuss für Mobilität, Infrastruktur und Grün sowie dem Ausschuss für Personal, Organisation und Digitalisierung zur Kenntnis gegeben werden.
Begründung
Europäischer Vergleich und Datenschutz
Die digitale Erfassung der Kraftfahrzeuge von Falschparkenden und Parkenden ohne Ticket ist in Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder Polen längst umgesetzt. Im Vorbeifahren werden die entsprechenden Kraftfahrzeuge durch Kameras erfasst, die sich an einem Wagen befinden und die Kennzeichen der falsch abgestellten Kraftfahrzeuge durch eine sogenannte License plate recognition (LPR) Software, die in der Lage ist, Zahlen und Buchstaben zu erkennen, detektiert. Ein Konflikt mit der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) besteht nicht, schließlich gilt diese in den oben genannten Ländern auch. Der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dient bereits als Modellzone: Die Anzahl der Parkvergehen ist hier durch die Parkraumüberwachung bereits – wie in den genannten Ländern – gesunken.
Chancen digitaler Parkraumkontrollen
Verkehrsregeln sollen allen Teilnehmenden nutzen. Dies setzt voraus, dass die Stadt Dortmund die Einhaltung ernst nimmt und alle Möglichkeiten in Betracht zieht, die Effizienz der Kontrollen zu steigern und Falschparkende oder Parkende ohne Ticket effizienter zur Kasse zu bitten. Darüber hinaus zeigen die Beispiele in anderen Städten, dass die digitale Parkraumkontrolle dabei hilft, Falschparken – und damit Gefahren für Fußgänger*innen, Radfahrende und Kfz-Halter*innen – zu reduzieren. Auch Rettungswege würden durch Falschparkende in zweiter Reihe eingeengt bzw. blockiert und die Feuerwehr müsste in der Nacht nicht mehr für Einsätze in dicht besiedelten Wohnquartieren per se mit zwei Sattelzügen für jeweils eine Straßenseite anfahren. Aber auch das Ordnungsamt könnte sparen: Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg berichtet, um dem zusätzlichen Bedarf an Parkraumüberwachung nachzukommen, müssten auf herkömmlichen und somit analogen Weg etwa 130 Mitarbeitende eingestellt und weitere Aufenthaltsräume geschaffen werden. Ein vergleichbares Bild zeigt sich in Dortmund. Laut Masterplan Mobilität hat Dortmund nur 36 Personalstellen, um den ruhenden Verkehr zu überwachen. Vergleichbare Städte wie Düsseldorf und Stuttgart haben 154 bzw. 204 Personalstellen. In Dortmund müssten die Planstellen in diesem Bereich verdoppelt oder verdreifacht werden (ebd.). Dies könnte durch die neuen Technologien sehr effizient angegangen werden. In Anbetracht der finanziellen Lage der Stadt ein positiver Effekt auf den Haushalt der Stadt: Keine oder nur in sehr geringer Anzahl neue Stellen müssten geschaffen werden, um die Parkraumkontrolle deutlich effektiver umzusetzen.
Modellversuch in einem Quartier mit Parkraumbewirtschaftung
Die Kennzeichen der abgestellten Fahrzeuge werden durch Kameras detektiert und im Hintergrund mit einem Computersystem abgeglichen, welches überprüft ob zu dem Kennzeichen zur entsprechenden Zeit eine Parkberechtigung vorliegt oder nicht. An Parkscheinautomaten muss verpflichtend das amtliche Kennzeichen angegeben werden. Parkschein-Apps nutzen die Kennzeichen bereits als Datum und verknüpfen damit eine Abrechnung. Datenschutzkonzepte gibt es also bereits. Nach dem Modellprojekt können Lehren gezogen werden und das Modell, mit all seinen Verbesserungen, auf andere Bereiche des Parkraummanagements übertragen werden.
Modellversuch in einem Quartier mit Anwohner*innen-Parken
Die Stadt kann Parkräume in Wohnquartieren als Bereiche mit erhöhtem Parkdruck ausweisen. Parkende ohne Parklizenz für Anwohner*innen erhöhen hierbei den Parkdruck auf Wohnquartiere und damit die mit Parkdruck einhergehenden Gefahren im Straßenverkehr. Parken vor Baumscheiben oder in zweiter Reihe ist an der Tagesordnung. Dennoch: Die StVO ist als besonderes Gefahrenrecht konzipiert und erlaubt Anordnungen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung. Ein Modellversuch zur digitalen Parkraumkontrolle bietet sich also an. Hinsichtlich der Bewohner*innenparkausweise ist festzuhalten, dass digitalisierte Parkberechtigungen, z.B. mittels RFID-Chip oder QR-Code, nach der in einem Rechtsgutachten von Agora Verkehrswende vertretenen Auffassung bereits vom Wortlaut des § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2a StVO umfasst angesehen werden können. Da im Rahmen dieser beiden Varianten nicht mehr Daten erhoben würden als bisher und auch kein anderer Verwendungszweck vorgesehen ist, ist keine neue Rechtsgrundlage notwendig.
Novelliertes Ordnungsbehördengesetz NRW
Dem Think-Tank Agora Verkehrswende zufolge sind digitale Systeme in Deutschland realisierbar, wenn z.B. Landesgesetze angepasst werden. Dies ist mit dem novellierten Ordnungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) durch den Paragraphen 24 (Geltung des Polizeigesetzes) geschehen. Dieser ermöglicht nun eine Ausstattung der kommunalen Ordnungskräfte mit Bodycams (§ 15c PolG) sowie zum Zwecke der Eigensicherung den Einsatz von Kameras bei Fahrzeugen (§ 15b PolG). Vor dem Hintergrund, dass Falschparken, z.B. in zweiter Reihe oder auf Radwegen, Gefahren im Straßenverkehrsraum und somit auch für die kontrollierenden kommunalen Ordnungskräfte darstellen, ist eine Installation angebracht. Laut Unfallforschung der Versicherer (GDV) stehen jeder vierte Unfall mit Fußgänger*innen und 15 Prozent aller Fahrradunfälle innerorts im Zusammenhang mit parkenden Kraftfahrzeugen. Nicht zuletzt empfiehlt sich eine Installation zum Zwecke der Eigensicherung der Ordnungskräfte, um diese im Falle einer Erteilung von Verwarn- und Bußgeldern vor psychischer und physischer Gewalt im Kontakt mit den Fahrzeughalter*innen zu schützen.